GLOBUS Basel
28. Mai bis 26. Juni 2019
Täglich 24 Stunden ist das von Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer gestaltete videocity.bs-Schaufenster des GLOBUS Basel am Marktplatz 2 zu sehen.
Die Videos wurden in Bezug zum Präsentationsstandort von den Kuratorinnen Andrea Domesle und Sophie Kauffenstein ausgewählt. Die Kunstwerke kommentieren den Alltag und ermöglichen einen anderen Blick auf diesen. Deutlich wird dies insbesondere im videocity.bs-Schaufenster des Globus Basel von Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer. Sie reagieren mit ihrer Gestaltung darauf, wie rund um Produkte Begehren dargestellt wird und welches Verhältnis wir zu den Produkten einnehmen. GLOBUS Basel hat eine eigene Dekorationsabteilung. Die grosszügigen Schaufenster spielen seit den Anfängen des Unternehmens, seit dem Jahr 1892 eine wichtige Rolle. Das Künstlerduo konfrontiert das Warenhaus mit dem “Unboxing“-Phänomen, das im Internet verbreitet ist. Wie wird wohl die Mischung von Inszenierungspraktiken aus realer und virtueller Welt auf Passanten vor dem GLOBUS Basel wirken?

Im Mittelpunkt des Schaufensters ist das neueste Video des Künstlerduos zu sehen. “Götter und Geister“ ist eine Found Footage-Montage aus “Unboxing“-Filmen, die sich seit den letzten Jahren grosser Beliebtheit im Internet erfreuen. In den von Amateuren gedrehten Videos kann man Selbstdarsteller sehen, wie sie ein Produkt auspacken. Die auf Onlineplattformen anzutreffenden Videos sind qualitativ relativ einfach, womit sich die zahlreichen Fans nicht erklären lassen. Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer gelangen mit der Montagetechnik des gefundenen Materials zu einer Erklärung: Sie fokussieren auf die Hände der Unboxer, welche dieVerpackungen betasten, streicheln, drücken oder an einzelnen Stellen immer wieder abklopfen. Hantiert wird auch mit Messern, um zu schlitzen bzw. Hüllen vorsichtig aufzustechen. Das Künstlerduo macht so deutlich, dass das Auspacken mit Gefühlen aufgeladen und mit Verführung verbunden wird. Ware wird von den Unboxern wie in einem Ritual beschworen. Dabei erhält die Ware, die meist verborgen bleibt, einem Kultobjekt gleich Seelenpräsenz; sie wird wie ein Lebewesen behandelt – ähnlich dem animistischen Denken von Kindern oder Urvölkern, die einem Gegenstand oder toter Materie Lebensfähigkeit zusprechen. Die Unboxer bauen eine persönliche Beziehung zum Produkt auf. Es ist eine Beziehung, die verschiedener Art ist – liebend, begehrend, erotisch, verehrend und muss als eine authentische aufgefasst werden. Unboxer sollen dazu tendieren, viel zu kaufen bzw. zuerst etwas besitzen zu wollen. Aber geht es Ihnen wirklich um das Besitzen und Benutzen der Dinge? Oder drücken sie mit ihren Videos eine unerfüllte Sehnsucht nach dem permanent Neuen aus? In jedem Fall lässt sich sagen, das – obwohl die Unboxer meist allein in den Videos zu sehen sind – sich jeweils eine Gemeinschaft von Anhängern (Followern) um sie scharrt und an der „Messe“ teil nimmt. Mit Hilfe von pseudo magischen Handlungen und „höheren Wesen“, siehe Werktitel, versuchen sie letztendlich, eine über ihren Alltag hinausgreifende Wichtigkeit zu erlangen.
Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer übertragen den Inszenierungsstil der Unboxer auf ihr videocity.bs-Schaufenster im GLOBUS Basel. Neben ihrem Video sind verschieden hohe Sockel positioniert. Spots beleuchten hier eine Leere, wo in den Schaufenstern daneben neueste Verkaufsobjekte stehen. Die Künstler zitieren das Paradoxon des rituellen Auspackens: Das Produkt ist –noch? –unsichtbar, sein „Spirit“ scheint schon da zu sein. Doch begehrende Blicke können sich daran nicht festhalten, so dass eine Geist-Produkt-Beziehung wohl nur in der digitalen Welt funktioniert?
Video im Schaufenster des GLOBUS Basel